Eigentlich der erste richtige Tag. Durch den Jetlag war ich schon sehr früh auf den Beinen, noch vor Sonnenaufgang begab ich mich auf die Terrasse des Hostels und genoss die Trainingsrunden der lokalen Hähne für den Musikantenstadel, die ich schon lange vorher im Zimmer aufmerksam verfolgte. Die nächtliche Dunkelheit wurde ganz langsam über Taganga weggezogen, wie eine leichte, aber lichtundurchlässige Decke, die Sterne dimmten ihr Licht weg, wie im Kino, wenn der Film angeht. Die ersten rotwarmen Vorboten des satten karibischen Lichts wurden am Himmel stärker und stärker. Der warme böige Wind machte immer wieder kleine Pausen. Stück für Stück veränderte sich das morgendliche akustische Ensemble indem auch andere Tiere in die Session mit einstiegen. Viele Sittiche, Hunde, dann auch mehr und mehr Menschen, die sich auf den Weg zur Tienda ums Eck machten, bereits in die Arbeit mussten oder nur einen ersten Ratsch mit den Nachbarn hielten. Die nächste Eskalationsstufe war, dass erst aus einer, dann aus immer mehr Richtungen Vallenato-Klänge zu hören waren. Klar, Menschen in Taganga und ohne Vallenato, das geht überhaupt nicht!
In diesem Zusammenhang sei noch der direkte Nachbar des Hostels, auf der gegenüberliegenden Straßenseite erwähnt, aus dessen Haus praktisch ohne Unterbrechung die ganzen alten Bullerengues, Gaitas, Mapales, Sanjuaneros und Co. dröhnten. Alte Cumbias, sehr nach meinem Geschmack!
Ich habe mich dann aufgemacht eine kolumbianische Telefonkarte zu kaufen. 7 € für eine Claro-Prepais-Karte mit (nur) 2 GB Datenvolumen. Aber das kann man dann ja bei Bedarf nachkaufen. Ist günstig. Der junge Mann in der Tienda (Copy-Shop oder so) baut sie mir auch rein und aktiviert sie. Da bin ich recht froh, denn den Anmeldeprozess der Karte hätte ich schon gemeistert, aber, das hätte sicher den Vormittag gedauert bei mir.
Das Frühstück im Hostel habe ich verschmäht, ich bin gleich
runter zu „La Mona“, hab mir ein leckeres Frühstück und (endlich) einen Jugo de
Nispero geordert. Speziell auf den Nispero-Saft freute ich mich schon eine
ganze Zeit. Die Mispelart sieht zwar aus wie eine zu klein geratene, schmutzige
Kartoffel, hat aber einen speziellen Geschmack. Das gelbliche, leicht körnige Fruchtfleisch
um die Kerne hat einen leicht nussigen Geschmack, mit einer Note von Karamelle
und mit einer Art von Crispy-Effekt. Sehr lecker, aber, sicher nicht jedermanns
Geschmack., Aber für mich ist sie extrem lecker und ich hatte sie in den 8
Jahren nicht vergessen.
Dann hockte ich mich in eines der Restaurants am Strand, um in dieser „geschützten
Atmosphäre“ ein paar Sätze zu schreiben. Das ist immer recht angenehm, weil,
man hat einen Drink in der Hand und kann trotzdem seinen Blick über das
sinnliche Strandleben gleiten lassen. Man wird nicht dauern wegen Souvenirs, einer
Bootstour oder irgend anderen Touri-Geschichten angequatscht.
Als ich dann über die Straße zum Strand ging, da lief ich gleich dem ersten Tourguide in die Arme, der mit eine Bootsfahrt zum Playa Grande, quasi dem Hausstrand von Taganga, verkaufen wollte. 15 Minuten zu Fuß von der nördlichsten Strandseite Taganga aus in Richtung Westen erst über Klippen, dann ein Pfad durch ein Tal und schließlich den Berg hoch und hinten ein paar Treppen runter, an dem neugebauten beeindruckenden Hotel vorbei, liegt schließlich der riesige und sehr schöne Strand zu Füßen. Der „Geschäftsmann im Bootsgeschäft“ warnt eindringlich vor dem Weg zu Fuß, wegen der Raubüberfälle. Ja, vor 8 Jahren wurden, in der Zeit in der wir da waren, so einige Überfälle gemeldet. Auch beim Sportplatz gab es damals den Macheten-Überfall, nicht so nett, denn, das war damals immer genau unser Weg zum Hostel. Ich erklärte ihm, dass ich insofern dafür präpariert sei, weil ich nur 10 $ dabei hätte und die dann auch bereitwillig abgeben würde. Er erwiderte, und wenn sie Deine ganzen Kleider wollen??? Da ist mir dann nichts mehr eingefallen 😊
Meine Einschätzung, ich sehe so viel Touristen rumlaufen, die so überhaupt nicht präpariert sind. Entweder teuren Schmuck angelegt, teure Telefone oder Notebooks präsentierend und irgendwie als potentielle Opfer rumlaufen.
Dann möchte er mir noch die Schnorchel-Tour anbieten, zu einem gaaanz anderen Strand. Nachdem der Tayrona-Park seit einem Monat für Touristen gesperrt ist, haben die ganzen Tour-Geschäftsleute echt ein Problem. Ihr Hauptgeschäft ist ihnen weggebrochen. Also sucht man Alternativen. Die Strände von denen er spricht (Playa Sisiguaca und Playa Rosita), die sind zu Fuß vom Playa Grande aus über die Klippen zu erreichen, bei dem man schwindelfrei sein sollte und auch die Hände manchmal braucht. Aber so 10 Minuten rum, wenn ich mich recht erinnere.
Der andere Aspekt, es ist deutlich bequemer und auch den böigen Wind auf den steilen Klippen sollte man nicht unterschätzen, wie ich ja am eigenen Leib vor 8 Jahren bereits erlebte. Die Fahrt kostet, hin und zurück, weniger als 2 Euro und ist ebenfalls ein kleines Erlebnis, wenn man sowas nicht oft macht. Wobei in der Bucht ja noch kein Wind geht und somit keine großen Wellen sind. Weiter draußen kann das dann anders werden.
Alle dieser Strände haben kleine Restaurants, bzw. man kann was zum Essen und Trinken ordern.
Ich verzog mich erstmal ins Hostel, um eine Siesta zu halten. Am Nachmittag gings direkt runter zur Taganga-Beach in die Pizzeria „LaNegra“, in der die Geschäftsführerin oder Chefin starke Erinnerungen an einen Kuba-Urlaub erzeugte, da sie einer Kubanerin dort (Koquito, Ruth wird sich lebhaft erinnern) sehr sehr ähnlich war. Sowohl ihr Äußeres als auch ihre Art. Vielleicht noch ein paar Nummern herber. Fast schon derb. Aber auch „das Herz auf der Zunge“ und extrem direkt. Sehr authentisch dachte ich mir und beobachtete das Treiben eine ganze Zeit lange. Es war der späte Nachmittag und relativ wenig los. Was wirklich auffällig war, es tummelten sich inzwischen auch Herr Heinz Deutschmann und seine Frau Liese an der Promenade und die Reise wurde möglicherweise über Tchibo oder Lidl gebucht. Naja, Kolumbien ist wirklich sicherer geworden, vermutlich nicht nur gefühlt.
Dann noch ein Getränk beim „Zeugen Jehova“, so haben wir die Bude am Ende der Restaurant-Meile am Strand von Tagange glaube ich vor 8 Jahren bezeichnet, wenn ich mich recht erinnere. Der war immer noch da. Immer noch sehr reduziertes Ambiente. Aber immer noch viele Einheimische die da gegessen haben.
Am Abend ging dann direkt am Strand der Fischmarkt los, der immer schöne Perspektiven für Fotos bietet. Die bunten Schiffe, das warme abendliche Licht des Sonnenuntergangs, die interessierten Fischkäufer und die wachen und ihre Ware anbietenden Fischverkäufer. Ein buntes und lebhaftes Gewurle, dann noch die Gerüche, Fischmarkt eben. Man muss nur immer ein wenig aufpassen mit den vielen Leinen, die den Strand runter bis zu den Booten reichen, die der Wind hin- und herschaukelt und daher die Leinen abwechselnd strammzieht. Mehrmals hätte es mich beinahe auf den Steiß gehauen.
„La Mona“ für das Abendessen, weil einfach super lecker und günstig, war schon zu. Daher bin ich wieder zurück zur Flaniermeile und habe mich im „Puteria-Restaurant“ niedergelassen, Arroz con Camarones bestellt und wieder genau neben einem Tisch mit der Anbahnung zweier recht hübschen jungen Mädels mit rotzbesoffenen Touries gesessen, konnte also alles gesagte gut mithören. Auch das „weiße Pulver“ wurde mir bereits mehrmals angeboten, ebenso „beruhigende Kräuter zum Rauchen“. Genauso wie letztes Jahr, dachte ich mir.
Übrigens, der Mülleimer auf dem Foto oben, der wurde in der Zeit als ich meinen Reis verspeiste, mindestens drei- bis viermal konsultiert, um Flaschen oder ähnliches zu finden. Fast wie an der Hackerbrücke, dachte ich mir…
Und es ist egal, wo auf der Welt man sich befindet. Es finden sich immer Katzen, die einem die Zeit im Restaurant Gesellschaft leisten 😉
Auf dem Rückweg sah ich dann, was ich akustisch schon seit geraumer Zeit wahrgenommen hatte. Eine Gruppe von mindestens 60 oder 70 jungen Polizisten machten ihren abendlichen Dauerlauf durch die Straßen von Taganga, untermalt durch matriarchalisch anmutende Gesänge. Das macht schon Eindruck! Hat vermutlich bei den so aufmüpfigen Tagangueros auch seine Wirkung. Da gibt es ja heftige Geschichten, die das Verhältnis zu der hiesigen Polizei und so manche Episoden thematisieren.