Das frühe Aufstehen um 06:00 Uhr war definitiv kein Problem, ich hatte eh kaum geschlafen. Der Morgen graute bereits, der Hahn gab sein Bestes, Germán und Paula waren bereits wach und schon ging es los, zu Fuß den steinigen Weg, ich mit meinen dünnen Stoffschuhen. Vorbei an den Fincas der Nachbarn, die vier Hunde waren mit dabei, die Katzen blieben zuhause und der Truthahn ebenfalls.
Es ging steil bergab, so circa 250 Höhenmeter bei grandioser Aussicht ins Risaralda-Tal, bis wir in einem Bambusfeld an einen kleinen Bach kamen, der in der Talsohle munter vor sich hinströmte. Fest eingewachsen durch die ganzen großblättrigen tropischen Gewächse. Eine herrliche und beeindruckende Landschaft.
Für die Hunde war der Bach eine willkommene Abkühlung.
Dann ging es steil bergauf, durch matschige Wiesen. Ich hatte keinerlei Gripp mit meiner glatten Sohle und auch keinen Halt. Aber immer noch besser als mit den Schlappen, dachte ich mir. Und das stimmte natürlich auch. An der Pazifikküste hatte ich noch viel unvernünftigere Touren gemacht.
Es wurde immer steiler und steiler, dafür wurde der Weg langsam besser, bis wir auf eine Art von Feldweg nach oben stiegen. Der Germán war so freundlich und lieh mir sein kleines Handtuch, denn von meiner Stirn spritzte regelrecht der Schweiß. Ich musste die Brille abnehmen, sonst hätte ich gar nichts mehr gesehen. Und ich hatte auch wenig Ressourcen mehr für die unglaubliche Landschaft im Morgenlicht und die kleinen, aber feinen Finkas, an denen wir vorbeizogen. Es ging aufwärts und aufwärts, fast 400 Höhenmeter bis Risaralda. Germán legte ein beeindruckendes Tempo vor, das ich möglichst zu halten versuchte, bis ich es aufgab und in meinem eigenen (Schnecken)Tempo weiterging.
Ich war in dem Glauben, dass wir ja die ganze Strecke wieder zurückgehen müssten. Aber da lag ich falsch. Das war aber der Grund, warum ich meine Ressourcen schonte, damit ich noch fähig war, den Rückweg zu schaffen. Meine körperliche Konstitution war, vielleicht durch den wenigen Schlaf und die psychischen Anstrengungen der letzten Tage, nicht mehr so gut. Normalerweise stecke ich 400 Höhenmeter weg wie nichts. Aber an diesem Tag kostete es mir viel. Vermutlich war es auch das Tempo. Schließlich kamen wir in Risaralda an, ein süßes kleines Städtchen auf dem Bergkamm. Steile Straßen, eine feine Aussicht auf die Täler beider Seiten. Da oben pfiff ein Wind und ich war heilfroh um die Fleecejacke, die ich vorsichtshalber mitgenommen hatte. Ich litt immer noch an einem leichten Schnupfen und hustete manchmal. Das wollte ich nicht verschlimmern, denn das wäre für die Rückreise eher nicht so gut. So hatte ich mit der Jacke einen Schutz. Denn mein T-Shirt war so nassgeschwitzt, dass es auch die Hose darunter bereits durchnäßte.
Die merkwürdige Prozession der 4 Hunde mit den drei Begleitern, „La Pandillita“, wir gingen durch den Ort und ich bemerkte, dass hier praktisch jeder Paula und vor allem Germán kannte und mit Respekt grüßte. Es war eine recht herzliche Art, wie die Menschen hier miteinander umgingen. Sehr schön zu erleben, man fühlte sich sofort gut.
Risaralda war bereits aufgewacht und viele Menschen auf der Straße. Glücklicherweise mussten wir nicht den gleichen Weg zurück, es ging oben rum die Straße entlang, so dass wir fast keine Höhenunterschiede mehr zu überwinden hatten. Paula lachte sich schlapp, als ich erzählte, dass ich dachte, wir müssen den gleichen Weg zurück.
In diesen Momenten, die so unglaublich schön waren, da dachte ich keine Sekunde an die schwierige Situation bezüglich meiner Rückreise. Es war einfach nur beeindruckend, bezaubernd und wie in einer Märchenwelt.
Als wir in der Finka ankamen, da gab es erstmal Frühstück. Ich nutzte die Zeit, um einen früheren Flug zu buchen. Nicht am gleichen Tag, aber, zumindest für den folgenden Tag. Was sich zwar etwas unsicher anfühlte, aber, immerhin. Drei Tage früher als das bereits gekaufte Ticket für den 23.03.
Ich hoffte, dass dieser Flug stattfinden würde und plante, dass ich mit dem Taxi nach Bogotá fahren würde, falls es keine andere Möglichkeit mehr gäbe.
Wir sind dann am Nachmittag noch zu einer Finka gefahren, die laut Germán einen als „bester Kaffee Kolumbiens“ prämierten Kaffee herstellen und die einem guten Freund namens Wilmar gehöre.
Der Weg dorthin ging durch Risaralda durch, dann einen dieser supersteilen und kleinen Wegen hoch zu der Finka. Ohne geländegängigem Auto geht in dieser Gegend nur wenig. Keine Ahnung warum, der Wilmar war mir auf Anhieb super sympathisch. Er führte mich in der Finka rum, da hatte er im Haus auch viele schöne renovierte Antiquitäten, mit denen er sich gerne beschäftigte. Er bewirtschaftete seine Finka nur biologisch und hatte den Wald oberhalb seiner Finka ebenfalls dazugekauft. Den rührte er nicht an, so hatte er seinen privaten Dschungel, in dem er gerne verweilte. Da gab es feine Trinkwasserquellen mit leckerem sauberem und erfrischendem Wasser. Eine überbordende und ungezügelte private Wildnis. Der Wilmar war mir SEHR sympathisch, ich konnte seine diesbezüglichen Gedanken gut verstehen. Wir blieben dann an einigen seiner favorisierten Plätze im Wald und hatten überaus interessante Gespräche, die uns schnell vertraut werden ließen. Vielleicht hatte ich hier schon mal gelebt, in irgendeinem Vorleben… Es ging mir ähnlich wie an der Pazifikküste um Nuqui, vielleicht noch vertrauter und näher. Hier hätte ich bleiben können und die Corona-Quarantäne überwinden. Aber, ich hatte jetzt schon zwei Flüge von Pereira nach Bogotá (den zweiten wollte ich dann in Pereira canceln).
Später, wieder zurück in der Finca von Paula und Germán, da war Familie von Paula da, die gerade im Aufbruch waren. Germán zeigte mir seine Sammlungen an antiken Gegenständen und Relikten und wir saßen dann noch lange im Freisitz draußen und genehmigten uns eine Flasche Wein. Am nächsten Tag wollte mich Germán freundlicherweise nach Pereira zum Flughafen fahren. Vermutlich auch, weil die Busverbindungen bereits abgebaut wurden. Der sichere Weg nach Pereira war das Auto.