Die Nacht konnte ich nicht schlafen vor Anspannung, wegen der unsicheren Lage. Es kündigten sich Ausgangssperren und die Einstellung aller nationalen Verbindungen an. Daher fuhr ich, wieder etwas nervös geworden ganz in der Früh, kurz nach 07:00 Uhr, zum nationalen Flughafen Medellín, weil dort ein Avianca-Büro war, bei dem ich mich nach meinem Rückflug am 24.03. erkundigen wollte. Dort stand schon ein deutsches Pärchen, sie in Tränen aufgelöst, er mit angespannter Mine. Die beiden hatten das Problem, dass sie erst seit einer Woche in Kolumbien waren. Das bedeutete, sobald sie in ein Hotel gehen würden, wären sie für 14 Tage in Quarantäne und somit handlungsunfähig, denn, per Telefon ging ABSOLUT Nichts! Es gab die Anweisung, dass ALLE Touristen, die nicht bereits 14 Tage in Kolumbien waren, in Quarantäne mussten. Das hätte mir im Hotel Zandalo auch fast geblüht, bis sich die gute Rezeptionistin doch genauer informierte. Aus dem Hotel heraus ist man tatsächlich handlungsunfähig, denn, alles Telefonzentralen waren total überlastet, per Telefon ging nichts. Es ging nur was persönlich in den entsprechenden Büros. Aber, es gab keine Flüge, ich mit meinem Flug am 24.03. war zu beglückwünschen, andere wären froh gewesen um dieses Ticket. Auch gab es keine Möglichkeit für mich auf einen früheren Flug umzubuchen. Daher war ich mir jetzt sicher, ich würde noch ein paar Tage bei Paula und Germán in Risaralda verbringen.
Bereits kurz nach 08:00 Uhr war ich wieder im Hotel. Ich hatte bereits fast alles gepackt, lies mir ein Taxi besorgen und fuhr kurz vor 09:00 zum Busbahnhof Süd, um mir einen Bus in Richtung Süden nach Anserma, kurz nach Riosucio zu besorgen. Im Busbahnhof war es ein wenig gespenstisch, die Leute waren alle so verunsichert, manche mit Masken manche nicht. Wenig Leute waren unterwegs. Ich besorgte mir ein Ticket der Gesellschaft Occidental, die von Germán empfohlen wurde.
Ich musste nur circa 20 Min warten, da ging es los. Es war eine Schlange von circa 10 Personen. Man bekam eine Nummer (ich dachte die Nummer des Standorts) und ging mit meinem Gepäck raus. Da stand gleich der Bus. Ich gab mein Gepäck dem Schaffner und er räumte es ein. Er wollte zum Glück noch meinen Zettel mit der Nummer sehen, dann mein Ticket. Ich hatte den falschen Bus gewählt und wäre weiß Gott wohin gefahren, wenn der gute Mann nicht aufgepasst hätte! Erleichtert stieg ich in den richtigen Bus, der nicht weit weg war. Auf dem Zettel stand die Busnummer, die an jedem Bus prangte. Glück gehabt!
Der Bus war fast leer. Es dauerte ewig, bis man dann wirklich aus dem Moloch Medellín draußen war. Stau, Stau, Stau und am Straßenrand wurden mehr Mitfahrer aufgenommen. Aber der Bus war immer nur so voll, dass jeder Mitfahrer einen Doppelsitz zur Verfügung hatte. Nachdem wir dann auf dem Land draußen waren wurde die Landschaft schöner und schöner. Berge, sehr steile Berge und Flüsse. In den sehr steilen Wiesen standen Kühe. Wenn da eine mal ausrutscht, die würde mehrere hundert Meter in die Tiefe fallen, dachte ich mir. Es sah beeindruckend und auch gefährlich aus.
Mit Germán war ich per WhatsApp in Verbindung und ich gab ihm öfters meinen aktuellen Standort durch. Er erwartete mich in Anserma, denn, nach Risaralda, wo seine Finca war, dahin war es noch ein Stück mit dem Auto.
Ich saß wirklich beeindruckt im Bus und musste die ganze Zeit aus dem Fenster schauen, weil die Landschaft so unglaublich schön und wild war. Diese Mischung aus tropischer Vegetation mit den steilen Bergen und den süßen kleinen Häusern, die Straßen oft an Bergkämmen entlang, so dann man auf beide Seiten ins tiefe grüne Tal blicken konnte. Dann lange Zeit am Rio Cauca entlang. Ein kräftiger „junger“ Strom, der sicher manchmal auch seine Eskapaden veranstaltet, in Form von Hochwasser. Bei „El Rodeo“ ging es dann rechts weg in die Berge hoch. Auf steilen und engen Straßen durch kleine Dörfer mit winzigen Häusern und Straßen. Meine Hochachtung vor dem Busfahrer, der jegliche Schwierigkeit mit Bravour meisterte.
Anserma war ein kleines Städtchen, auf einem Berg gelegen. Viele Dörfer und Städte in dieser Gegend liegen auf Bergkämen oder Berggipfeln. Germán hatte anscheinend bereits einige Zeit gewartet. Wir luden das Gepäck in seinen fetten SUV und los ging es nach Risaralda. Circa eine halbe Stunde fahrt und kurz vor Risaralda ging es einen Pfad recht steil nach unten, so dass er nur ganz langsam, weniger als Schritttempo fahren musste. So ging es circa 5 Minuten nach unten, bis wir an seine Finca kamen.
Bananen, Kaffee, Bananen, Kaffee, das herrschte hier vor. Es war kein kleines Haus, hatte ein zweites Geschoss und eine große Terrasse über der Garage. Es gab ein Nebengebäude, indem ein Gästezimmer mit eigener Dusche und WC war und auf dessen Dach der Kaffee getrocknet wurde. Sie bauten ihren eigenen Kaffee an, klar, wir waren in der Kaffeezone. Es war eine große Freude, die beiden wiederzusehen! Trotz der kurzen Zeit, die wir uns kannten, hatten wir eine recht innige und herzliche Beziehung aufgebaut. Als erstes bekam ich was zum Essen von Paula, sie war eine gute Köchin! Auch Paulas Eltern lebten auf der Finka. Der Vater von Paula bewirtschaftete die Finka und kam mit seiner Machete und etwas spröden, aber trotzdem herzlichen und sehr aufrechten Art rüber wie ein „Edel-Campensino“. Ganz angenehm war die Finka, mit seinen bunten Häusern, den Bäumen mit den tropischen Früchten, dem Fischteich mit den neugierigen Fischen und der Aussicht auf das Tal. Vor allem aber war es der „Privatzoo“ von Paula. Es waren 4 Hunde und 5 Katzen, sowie ein Truthahn und wie ich nächsten Morgengrauen feststellte, es musste auch einen Hahn geben, der für den Musikantenstadel sicher höchst ungeeignet war, mit seiner „speziellen“ Stimme. Wie wenn er gerade eine schwere Erkältung durchmachte, so hörte es sich an, wenn er versuchte zu krähen. Und er versuchte es immer wieder, so dass ich im Bett regelrecht lachen musste und mir vorstellte, wie der Hahn wohl aussehen würde. Ich stellte mir so einen kleinen schmächtigen Körper mit einem zu großen Kopf vor und zu wenige Federn, so dass er an manchen Stellen nackt war. Aber leider lernte ich ihn persönlich nicht kennen, so dass ich nicht beurteilen konnte, ob ich da richtig lag.
Aber es gab noch eine wirklich spektakuläre Aktion. Es war ein Spaziergang mit 4 Hunden, 5 Katzen und einem Truthahn, die alle brav mitgingen, jeder auf seine Weise. Eine recht außergewöhnliche Gesellschaft waren wir, als wir so durch die Bananenplantagen zogen. Sowas hatte ich noch nicht erlebt. Alle Teilnehmer der Gesellschaft gingen sehr respektvoll miteinander um, auch die Chefin der Pandilla, Dona Pandora, das beeindruckende Bullterrier Weibchen, das muskelgepackt rumstolzierte, wie ein Bodybuilder auf der Bühne. Aber sie hatte so ein freundliches Wesen!
Später saßen wir im großen runden Freisitz, der an dem kleinen Nebengebäude angrenzte und durch einen überdachten Weg angebunden war. Ein außerordentlich schöner Abend bei interessanten Gesprächen. Wir gingen früh ins Bett, denn, Germán wollte bereits um 06:00 Uhr starten, um mir in einer ausgedehnten Wanderung nach Risaralda die Gegend zu zeigen. Ich willigte ein und verbarg meinen Unwillen, so früh aufzustehen. Es war kühl und alles war zwar noch fremd und trotzdem vertraut. Es gibt so Orte, an denen man sich sofort wie Zuhause fühlt, eine gute Energie spürt und glücklich ist.
In der Nacht prasselten dann wieder die sich verschärfenden Nachrichten meiner besorgten Freunde aus Deutschland auf mich ein. Am Nachmittag hatte ich noch einen Flug von Pereira nach Bogotá für kommenden Sonntag den 22.03. gebucht. Damit ich meinen Flug am 24.03. von Medellín nach Deutschland noch gut erreichen könnte. Aber es wurde mir im Laufe der Nacht klar, dass das zu spät war. Ich musste eigentlich SOFORT schauen wie ich so schnell wie möglich nach Bogotá komme. Solange es noch gehen würde, denn, Kolumbien bereitete sich auf den totalen Shutdown vor. Definitiv eine andere Nummer als das was wir in Deutschland so erleben.
Ich nahm mir vor, am nächsten Tag einen früheren Flug von Pereira aus nach Bogotá zu suchen.