Am Vorabend hatte mir Santiago noch per WhatsApp geschrieben, ob ich auf eine Bootstour mit dem französischen Pärchen nach „fast“ Bahia Solano, genauer, nach „El Valle“ Lust hätte. Lust hatte ich absolut keine mit den beiden Stinkstiefeln, aber er überredete mich mit der Information, dass die beiden nur nach „El Valle“ gebracht werden wollten und ich dann mit ihm und seiner Frau den restlichen Tag verbringen würde. Das hörte sich anders an! Ich willigte ein (150.000 Cop) und um 09:00 Uhr wollte er mich am Strand, direkt an der Beach-Bar abholen. Ich war pünktlich da und sah draußen schon Santiago liegen, neben einer dieser großen Versorgungsschiffe aus Buenaventura. Es war EXTREM niedrige Ebbe, so wie ich sie noch nie gesehen hatte. Ich musste weit rauslaufen, um ins Boot zu kommen. Als ich eingestiegen war, da kamen schon das französische Pärchen mit der Frau von Santiago im Schlepptau oder eher umgekehrt.
Alle enterten das Boot und schon ging es, bei bewölktem Himmel und etwas unruhiger See in Richtung Norden los.
Wir machten Zwischenhalt in Playa Blanca, wo ich vor 2 ½ Wochen schon mal mit Eva, der Französin, rumschnorchelte. Der Franzose stellte sich tatsächlich bei mir vor, wir hatten eine nette Unterhaltung und wiedermal stellte ich fest, wenn beim Kennenlernen von fremden Menschen, dann noch aus „fremder Kultur“ (soweit man das für Franzosen sagen kann), ganz am Anfang die Weichen falsch stehen, warum auch immer, dann steht die „Beziehung“ schnell mal auf dem falschen Gleis. Der Typ war recht nett, es war anscheinend ein reines Kommunikationsproblem ganz am Anfang, keine Ahnung was schiefgelaufen war.
Diesmal war das Wasser so tief gefallen, dass an den Stellen, wo wir letztes Mal schwammen und die Fische beim Schnorcheln beobachteten, jetzt nur Steine und Sand waren. Beeindruckend! Ich fragte (ein wenig besorgt) einer der Jungs des Restaurants, aber die beruhigten mich. Sie meinten, das mit der starken Ebbe wäre normal und circa alle zwei Wochen so. Das Wasser war, im Gegensatz zur Flut, circa 3-4 Meter niedriger.
Die Fahrt ging weiter in Richtung Norden, an der steilen Küste entlang, mit nur wenig Buchten und bei stärker werdendem Seegang, bis wir vor „El Valle“ lagen. Hui, da liefen Brecher auf den Strand zu. Santiago verharrte minutenlang, stand auf einem Sitz im Boot und inspizierte die Einfahrt zum Fluss, vor dem ein riesiger Felsblock lag, der die großen Wellen an dieser Stelle abschirmte. Genau da musste er hinkommen. Ein Anlanden am Strand war unmöglich, wegen der Brecher. Ich war dann doch beeindruckt, nahm mir vor, dass ich die nächste Fahrt wieder die Schwimmweste anziehen würde und hatte definitiv ein mulmiges Gefühl. Ich überlegte hin und her, ob ich bei der Einfahrt wirklich die Kamera hochhalten sollte, schwor mir, bei der nächsten Reise, neben dem wasserdichten Kameragehäuse, eine Art von „Schwimmer“ oder Boje per Schnur an der Kamera zu montieren, damit man eine ins Wasser gefallene Kamera wieder rausfischen konnte. Denn, wenn die schwere Kamera ins Wasser fiel, da nützte das wasserdichte Gehäuse absolut nichts, wenn die Kamera wegen ihrem Gewicht im Wasser versank.
Ich hielt doch die Kamera hoch, aber, es war halb so schlimm, eigentlich völlig harmlos, denn, Santiago hatte den richtigen Moment abgepasst. Er schoss mit Vollgas zwischen zwei Wellen durch die gefährliche Zone und landete hinter dem Stein, bereits im Flusslauf (zumindest bei Ebbe) knarzend im Sand. Wir sprangen alle raus und zogen das Boot in den Fluss weiter hoch, bis er wieder mit dem Außenborder arbeiten konnte. Und schon waren wir im völlig leergelaufenen Hafenbereich von El Valle. Ich und Santiago stiegen aus dem Boot, die anderen waren zu Fuß gegangen, wegen dem Gewicht/Tiefgang. Santiago händigte den beiden Mitreisenden ihre Rucksäcke aus und schon waren sie weg, der Franzman, der eigentlich Belgier war und die Französin, die am Anfang so unsäglich waren und dann doch sehr sympathisch.
Santiago, seine Frau und ich, wir setzten uns in den Park am Hafen und Santiago packte doch tatsächlich ein riesiges Lunchpaket mit diversen Schüsseln aus und schon gab es leckeres Mittagessen im Park. Das war sehr gut, denn, ich hatte noch nicht gefrühstückt und bei genauer Betrachtung, ich hatte am Vorabend auch nicht zu Abend gegessen. Aber das schadete mir definitiv überhaupt nicht. Jetzt konnte ich wieder problemlos mit dem engen T-Shirt rumlaufen, was ich vor 4 Wochen noch nicht so gerne tat. (3te-Monat-Problematik)
Wir warteten im Park auf seinen Vater, der hier in El Valle lebte. Der kam mit einem (vermutlich) Neffen in einem dieser kleinen Kisten daher, die in diesen Dörfern, wie auch in Nuqui, oft die Taxis darstellen. Wir stiegen nach herzlicher Begrüßung ein und es ging, zu fünft im engen Wagen, in Richtung „Playa el Almejal“.
Dieser Strand war auch recht beeindruckend. Eine Weite, recht starke Wellen, aber kein Vergleich zu dem Strand auf der südlichen Seite des Flusses von El Valle. Riesige schwarze Steine am Strand und im Wasser schafften eine unwirklich schöne Atmosphäre, die durch den Dunst, hervorgerufen durch die starke Brandung, nur noch verstärkt wurde. Erinnerte entfernt an Guachalito, aber war größer und wirklich beeindruckende Wellen.
Wir parkten das „Seifenkisterl“ in einer der zahlreichen und großzügig und weitläufig gebauten Herbergen mit Restaurant. Da könnte man auch gut absteigen und sicher ebenfalls eine recht relaxte Zeit verbringen, dachte ich mir. Erst gab es was zu trinken, dann zog ich los in Richtung Norden, ging ein wenig am beeindruckenden Strand entlang. Der war mir fast schon wieder zu groß, der Strand. Vielleicht war das auch bedingt durch die „Super-Ebbe“ die gerade war und sonst ist es nicht so schlimm.
Als wir dann alle wieder versammelt waren, ging es im „Seifenkisterl“ wieder los in Richtung „El Valle. Die Fahrt auf dem schlechten Weg war eine unangenehme Sache in der kleinen Kiste, es war aber gleichzeitig beeindruckend, wie geländegängig solche Seifenkisten waren. Steigungen, Steine, Sand, Geröll, nichts konnte die Kiste aufhalten, die schraubte und kämpfte sich durch.
Wieder in El Valle angekommen, machte Santiago noch eine Runde mit mir durch den Ort, über die beeindruckende Hängebrücke, die so schwankt beim Gehen und wo so viele Planken fehlten. Trotzdem wurde sie auch von Motorrädern und sogar von den „Seifenkisten“ benutzt. Da wär ich dann doch lieber nicht mitgefahren…
Eine kurze Rast bei Freunden gab es noch auf einen Kaffee, man merkte, dass Santiago hier geboren war, denn, viele grüßten ihn, er kannte viele Menschen hier.
Das Wasser war in der Zwischenzeit wiederum so hochgestiegen, dass sich das natürliche Hafenbecken vollgefüllt hatte. Santiago hatte den Anker in cleverer Weise so gelegt, dass das Boot jetzt auf der richtigen Seite und ganz nah am Ufer lag. Wir mussten nur einsteigen.
Auch die Ausfahrt aus dem Fluss in die offene See gestaltete sich problemlos, was nicht zu erwarten war, wenn man links und rechts an die Strände schaute, wie die Brecher da reinrauschten. Aber, kein Problem, wir kamen ohne Schwierigkeiten raus. Eine Zeitlang konnte man die Gischt und gewaltigen an den steilen Strand anrollenden Wellen beobachten. Hier wollte ich sicher nicht ins Wasser!
Die Fahrt war dann schon mit der Zeit nervig, denn, es war schon Seegang und das bewirkte, dass das Boot alle 15-20 Sekunden krachend und recht hart auf dem Wasser aufschlug, weil es über eine der Wellen in das folgende Wellental fiel. Für Menschen, die oft in solchen kleinen Booten bei solchem Wellengang sitzen, da dürfte es mit den Bandscheiben bald vorbei sein, denn, ich spürte die 2 Stunden schon in meinen Knochen. Auch war es recht unklug, nervös mit den Zähnen an den Lippen oder der Wange zu fieseln, denn, oft kam der heftige Aufschlag so unerwartet, dass man durch die Wucht, ohne es verhindern zu können, auf Zunge, Wangen oder Lippen biss. Da musste man wirklich aufpassen, ich zumindest. Vorher war mir nicht bewusst, dass ich in solchen Situationen dazu neige, mit den Zähnen an der Wange zu knuspern. Auch das Stück Schokolade, dass ich von Santiagos Frau bekam, genoss ich aus diesem Grund mit großer Vorsicht.
Wir kamen dann schon Heil an, aber, es war dann die letzte halbe Stunde schon anstrengend. Trotzdem überwogen ganz klar die guten Eindrücke, es war ein grandioser Tag, ich hatte viel Spaß, viel gesehen und auch viele Fotos gemacht.
Am Hafen in Nuqui war am Steg ersichtlich, wie hoch das Wasser stand und auch im Ort selber, wo die Häuser die am Ufer stehen auf Stelzen gebaut sind, war es deutlich zu sehen.
Im Hotel angekommen stellte ich fest, dass ich zwei neue Nachbarn hatte. Neben meinem Zimmer waren zwei junge Französinnen eingezogen. Es ist unglaublich, wie viele Franzosen hier unten unterwegs sind. Ich hatte gelernt und bemühte mich, gleich recht freundlich auf die beiden zu zugehen, damit „die Weichen“ gleich mal richtig gestellt sind und wir nicht wieder „auf dem falschen Gleis landen würden“…