Frühstück im „Gato Negro“ und schnell noch Geld gewechselt. Dann habe ich mein Zeug gepackt und bin mit dem Taxi zum Busterminal Cartagena, der exakt auf der anderen Stadtseite liegt. Der „christliche Taxifahrer“ hat sofort die seinem Glauben entsprechende Musik aufgelegt, was aber absolut nichts an seinem unnachgiebigen Fahrstil änderte. Da wird jede noch so kleine Lücke genutzt, auf Millimeter aufgefahren, abgedrängt und versägt. Nur Schimpfe kam kein Wort aus seinem Mund. Meist schrie er „MI AMORRRRR“ aus dem Fenster. Diese Widersprüchlichkeiten fallen einem an anderen Menschen in fremden Ländern am allerbesten auf, obwohl wir selber sicher keinen Millimeter besser sind 🙂
Taxipreis für 45 Minuten Fahrt 23.000 COP = 7 €. (Die 4 Stunden Busfahrt nach Tolú kostete dann nur noch 40.000 COL = 11,50 €)
Im Busterminal wendete ich mich an den Info-Schalter. Die schrieb mir zwei Buslinien auf einen kleinen Zettel und schickte mich in eine Richtung los. Es ist ein größerer Terminal, in dem sich auch viele Geschäfte und kleinere Restaurants mit Snacks befanden. Vermutlich hab ich ein wenig hilflos geguckt, da sprach mich sofort ein Mann an, lass den Zettel und ging mit mir in eine ganz andere Richtung los als von mir angedacht. Plötzlich stand ich schon draußen, vor dem richtigen Bus und konnte innerhalb des Schalters (nicht im öffentlichen Bereich) mein Ticket kaufen. Der Angestellte bemerkte meinen besorgten Blick um mein draußen stehendes Gepäck und beruhigte mich, dass sie das schon im Griff hätten… Ich bezahlte, bezog mein Ticket, der Rucksack wurde eingeladen und schon saß ich im Bus nach Tolú. Ging fast schon ein wenig zu schnell, hätte mir eigentlich gerne noch was zum Essen gekauft. Aber das „nicht kaufen“ würde sich gut auf meine „Dritte-Monats-Problematik“ auswirken, dachte ich mir insgeheim und blieb im Bus sitzen. Laaange blieb ich sitzen, der Bus füllte sich langsam. Sicher eine halbe Stunde. Aber ich hatte es ja nicht eilig. Die Reihe vor mir, da ließen sich zwei durchaus füllige Mulattas nieder. Die fülligste saß genau vor mir und ließ ihren Liegesitz mit einem so unglaublich rohem Schwung nach hinten schnellen, dass ich mir mein Knie daran anschlug und auch gehörig erschrak, denn das Ding machte Lärm. Mulatta-Queen lies das völlig unbeeindruckt. Möglicherweise bemerkte sie nur wegen meinem Schmerzensschrei, dass da irgendwas schiefgelaufen war. Aber sie reagierte mit völliger Ignoranz. OK, dachte ich mir, die Auseinandersetzung mit der Radauschachtel (so sah sie aus) spar ich mir und bin einfach eine Sitzreihe weiter hinter, um ihren potenziellen Attacken zu entgehen.
Die Busfahrt mit der Linie Sotracor, relativ komfortabel und der Busfahrer fuhr auch sehr moderat. Recht ungewöhnlich für Kolumbien. Die Landschaftsbilder die da an mir vorbeizogen, die waren geprägt durch üppiges tropisches Grün, in Abwechslung mit monotonen Palmöl- und Bananenkulturen. Recht interessant, absolut kurzweilig. Es ging durch die kleinen Dörfer, mit ihren meist nach drei Seiten offenen kneipenartigen Lokalen, in denen sich meist ein oder zwei Billardtische befanden, an dem mindestens immer einer besetzt war. Auch die Hängematten vor dem Haus waren meistens besetzt. Zeit schien hier definitiv eine komplett andere Rolle zu spielen als bei uns. Es gab diese supersüßen und oft auch bunt angemalten kleinen Holzhäuschen, die, so wie sie zusammengezimmert waren, sehr luftdurchlässig sein mussten. Perfekt für solch ein Klima.
Dann war anscheinend die Straße gesperrt, was den Busfahrer nötigte, auf den Rat eines der ständig zu- und aussteigenden Fahrenden Händler zu hören, die ihre Getränke und Snacks anboten und so bog er rechts ab in eine kleine Straße eines winzigen Ortes. Ich konnte die Aktion sowohl durch die Fenster als auch über Google-Maps gut verfolgen und wunderte mich über den Mut des Busfahrers, sich auf das enge und viel zu kleine Straßengewirrs einzulassen. Was der kurz darauf auch sicherlich bereute, denn, er schaffte es zwar gerade noch, den Bus, um die eine oder andere superenge Ecke zu bugsieren, aber plötzlich war endgültig Schluss. So musste er eine ganze Strecke von vielleicht 600-700 Metern, die vorwärts schon schwierig zu bewältigen waren, jetzt rückwärts meistern. Mit der vereinten Hilfe der kompletten Dorfjugend, die rings um den Bus dirigierte und mit seinem guten Gefühl für die Proportionen seines Buses schaffte er diese Meisterleistung der Fahrkunst hervorragend. Wir waren schließlich wieder auf der Hauptstrecke und die Fahrt konnte weitergehen. Verloren hatten wir so circa eine halbe Stunde. Mir war das wurscht, denn, wenn ich was hatte dann war das Zeit.
Wir fuhren komischerweise nicht den direkten Weg nach Tolú und verloren dadurch eine weitere halbe Stunde. Vermutlich eine Baustelle von der der Fahrer Bescheid wusste. In Tolú gab es eine sehr kleine Busstation, an der schon zwei Passagiere und ein Bicitaxi (Fahrradtaxi) warteten. Nachdem der Busfahrer meine doch recht schwere Tasche rauswuchtete fragte ich den drahtigen Bicitaxi-Fahrer, was es denn kosten würde zum Hotel Ostimar. Er meinte 5000 COP und wir wurden uns einig. Er verstaute die Tasche hinter dem Sitz, ich setzte mich in den überdachten Gast-Teil des Bicitaxi und schon ging die Fahrt los. Leicht bergab, so dass der doch schon ältere und dünne Fahrer nicht mal bei der Hitze ins Schwitzen kam. Auf Anhieb gefiel mir die kleine Stadt. Sie strahlte eine träge unbekümmerte Ruhe und tiefen Frieden aus. Genau richtig, wenn man sich von der Hetze der Großstadt erholen möchte. Der Fahrer wollte mir gleich Tickets für den nächsten Tag für eine Bootsfahrt zu den Inseln draußen in der Karibischen See verkaufen. Ich lehnte dankend ab, wollte mir erst einen Überblick verschaffen und das war auch gut so, wie sich später zeigte.
Die Besitzerin des Hotels Ostimar (Marie?) begrüßte mich freundlich, wir organisierten den offiziellen Teil und die Bezahlung für die zwei Nächte und schon konnte ich mein Zimmer beziehen. Dann legte ich mich noch so ½ Stunde aufs Ohr und ging dann los in die Stadt.
Allein der Geruch, den der warme Wind vom Meer bringt, die salzige Brise und das stetige beruhigende Geräusch der Wellen des nahen Strandes tun ihre Wirkung. Man fährt runter.
Immer wieder musste ich an die wunderschönen Abende in Siboney bei Santiago de Cuba denken, wo ich vor ein paar Jahren immer wieder eine so herrliche Zeit verbringen durfte, dank der Gastfreundschaft von Carlos, Yoisy und ihrer Familie. Es war der selbe Geruch, die selbe ansteckende Ruhe und die selbe lauwarme würzige Brise, die gleiche Gelassenheit der Leute, die ich sowohl auf Kuba, als auch jetzt hier erleben durfte und die wie Balsam auf geschundener Haut auf meine Seele wirkte. Ich ging den Strand entlang und es wurde mir schon klar, dass da in der Ferienzeit durchaus der Bär steppt. An diesem Abend war nichts, absolut nichts los. Ein paar Souvenirverkäufer langweilten sich. Es gab wenige Bars, aus denen laute Musik ertönte, wenig Menschen waren auf der Straße, die meisten saßen nur irgendwo rum und sogen die tendenzielle Kühle des Abends in sich auf. Sehr gelassene Grundstimmung.
Weiter ins Zentrum rein fuhren überall so Bicitaxies für 5-8 Personen rum, wo die Passagiere ebenfalls mittreten mussten, dafür blinkende LED-Beleuchtung und laute Musik. So ähnlich wie die Bier-Radl für 6-12 Personen in München. Da kann man sich schon vorstellen, was da zur Saison los ist. Ich vermied es mir eine Pizza oder dergleichen zu kaufen, begnügte mich mit einer Areppa mit Käse und einem frischen Fruchtsaft. Das musste reichen. Und es reichte gut. Ich hatte die letzte Zeit tatsächlich sehr wenig gegessen, ohne dass es mir irgendwelche Probleme machte.
So gegen 20:00 kam ich im Hotel Ostimar. Vor dem Fernseher saß eine europäisch anmutende Frau mittleren Alters, die ich freundlich grüßte. Sie meinte, ob ich Englisch sprechen würde, ok es ging erstmal Englisch weiter, bis sich raustellte, dass sie aus Wien kommt. Damit war das Kommunikationsproblem stark reduziert. Mit Jutta, die bereits seit Dezember 2018 in Kolumbien rumreiste, hatte ich eine super interessante Unterhaltung, über deren Themen ich nicht weiter ausführen möchte. Das Gespräch fesselte mich bis 12:00 Uhr, da gingen unsere beiden Zimmernachbarn, eine (ich schätze) chilenische Mutter mit ihrem Sohn ging ins Bett und wir sollten dadurch unser Gespräch deutlich runterfahren. Aber ich war eh hundemüde, konnte die Augen kaum aufhalten, trotz der interessanten Themen musste ich endlich ins Bett. Und das Meeresrauschen des 30 Meter weit entfernten Strandes wiegte mich in den Schlaf. Ich schlief wie ich nie geschlafen hatte diese Nacht! Dann und wann unterbrochen, durch scharfe und sehr laute Schläge auf das Dach, von den runterfallenden Nüßen des Baumes über unserem Haus. Am Abend fiel wiedermal eine solche Nuss runter und ich hörte meine Zimmernachbarin laut sagen „momentito“ oder so. Sie dachte offensichtlich, es hätte jemand bei ihr an der Tür angeklopft. 🙂